GalerieAusstellungenM E Y E R O W I T Z – Eine Retrospektive

M E Y E R O W I T Z – Eine Retrospektive

14. September - 21. Dezember 2023

In Kooperation mit der Howard Greenberg Gallery (NYC) und anlässlich des 85. Geburtstags des Fotografen präsentiert die Werkstattgalerie Hermann Noack eine große Joel Meyerowitz Retrospektive mit dem Titel M E Y E R O W I T Z.

In seinem so vielseitigen wie einflussreichen Œuvre, das sich über mehr als sechs Jahrzehnte erstreckt, hat Meyerowitz die philosophische Komplexität der Fotografie und deren poetisches Potential auf verschiedenste Weise erkundet. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl von über hundert Arbeiten, die verschiedenen Phasen seines umfangreichen Werkes entstammen.

It is our invisibility that helps us get away with stealing fire from the gods beschreibt Meyerowitz eine von ihm und anderen praktizierte Arbeitsweise, sich unauffällig in eine Umgebung einzufügen, um alltägliche Szenen fotografisch einzufangen. Es gelte durch geduldiges Sehen und besondere Wachheit, ein Erleben gesteigerter Wahrnehmung abzuwarten, in dem ein Augenblick sich auszudehnen scheint und sich die ungeregelte Zeit in einer tieferen Ordnung offenbart. Das sei der richtige Moment, um auf den Auslöser zu drücken.

Die Anspielung auf die Anmaßung der antiken Mythengestalt Prometeus, den Göttern das Feuer zu stehlen, um es den Menschen zuteil werden zu lassen, ist treffend. Es ist jenes Gefühl der Stille, das Meyerowitz in seinen Fotografien evoziert, das eine einfühlsame und zugleich analytisch distanzierte Perspektive auf die sichtbare Wirklichkeit und die Bedingungen unserer Wahrnehmung ermöglicht. Eine atmosphärisch eng verwandte Reflexion menschlicher Erfahrung und deren Gebundenheit an das Mysterium der Zeit findet sich in den Gemälden Edward Hoppers, mit dem ihn außerdem sein erstaunliches Gespür für Raumtiefe und Licht verbindet. Mit dieser Ästhetik, im alltäglich Sichtbaren weitere Bedeutungsebenen zu erschließen, knüpft Meyerowitz an die Programmatik des Amerikanischen Realismus an, dem auch Hopper zugeordnet wird.

Als Joel Meyerowitz in den 1960er Jahren zu fotografieren beginnt, ist die Fotografie als künstlerisches Medium noch wenig etabliert. Er avanciert zu einem Protagonisten der Street Photography, immer unterwegs auf den Straßen New Yorks. Geduld, Instinkt und Empathie für den Moment werden zur künstlerischen Strategie.

Menschen zwischen den Hochhäusern der Fifth Avenue, eine Frau an der Bar, ein Kind in der Menschenmenge – die entstandenen Fotos wirken weder geplant noch inszeniert und offenbaren doch eine bildimmanente Logik. Dinge und Menschen wirken im Bildaufbau melodisch zueinander in Beziehung gesetzt. Dabei grenzt er sich stilistisch schon früh von Vorbildern wie Frank Stella und Henri Cartier-Bresson ab. Seine künstlerische Eigenständigkeit wird bereits 1968 mit einer Einzelausstellung im Museum of Modern Art in New York gewürdigt.

In einer Zeit, in der einzig die Schwarz-weiss-Fotografie als seriöses Medium für Kunst und Journalismus galt, fotografiert er von Beginn an in Farbe. Nach einem Aufenthalt in Europa beginnt er auch mit Schwarz-weiss-Fotografie zu experimentieren, wendet sich aber schließlich ganz der Farbfotografie zu.

Mitte der Siebzigerjahre wechselt er von der 35mm Kleinbildkamera zur 8x10 Plattenkamera, um mehr Detailschärfe auf größeren Formaten zu erreichen. Es kehrt eine neue Ruhe in sein Werk ein, eine künstlerische Entwicklung, in der er sich auch der Landschaft zuwendet. Sein fotografischer Blick wird forschend, fast sezierend, er legt es technisch versiert und mit meditativ anmaßender Geduld darauf an, selbst kleinste Nuancen von Licht und Farben sichtbar zu machen. Es entstehen Aufnahmen, die von ungeheurer farblicher Intensität zeugen und ihn zum Wegbereiter für die Farbfotografie als ernsthafte künstlerische Ausdrucksform machen. Seine Serie Cape Light, in der er achromatische Variationen des Lichts am Cape Cod untersucht, gilt als ikonisch. Der 1979 erschienene gleichnamige Katalog ist ein Klassiker der Fotografiegeschichte.

Obgleich der enormen Bandbreite seines Werkes, das Straßenfotografie, Landschaften, Porträts, Dokumentarfotografie und Stillleben umfasst, ist Joel Meyerowitz' sehr eigene 'Art des Sehens' in seinen Bildern immer präsent und erschließt ein tieferes Eindringen in die sichtbare Wirklichkeit. Damit hat er zur Etablierung der Farbfotografie als Kunstform   wesentlich beigetragen und unser Verständnis von moderner Fotografie geprägt wie kein anderer.

 

ZUM KÜNSTLER: Joel Meyerowitz