GalerieAusstellungenTales from the other side

Tales from the other side

14. Juli - 27. Oktober 2024

Unter dem Titel »Tales from the other Side« präsentieren die Berliner Bildgießerei und Galerie Noack und die BS Kulturstiftung Darmstadt im Skulpturengarten Spanischer Turm Positionen internationaler moderner und zeitgenössischer Skulptur. Die ausgestellten Werke von Künstlerinnen und Künstlern verschiedener kultureller Hintergründe und Generationen aus einem Zeitraum von 123 Jahren bestehen aus Bronze und Neusilber und wurden alle in der Bildgießerei Noack gefertigt.

Verbunden durch eine ästhetische Dimension der Rätselhaftigkeit, eröffnen die ausgestellten Kunstwerke unvermutete Ansätze, die diesseitige Welt durch Unvertrautes zu erweitern. Die »andere Seite« ist im Kontext der Ausstellung als imaginär konstruierte Gegenwelt dessen zu verstehen, was im Allgemeinen als »Realität« bezeichnet wird, wobei sie mit dieser, ähnlich einem Schatten, untrennbar verbunden ist. In unterschiedlichster Formsprache werden künstlerische Strategien erkennbar, die auf Manifestationen des Innenlebens und deren Ursprung in Fantasien, Träumen und Visionen abzielen. Dabei finden sich vielfältige, kulturgeschichtliche Bezüge, wie zu Konzepten der Psychoanalyse, dem menschlichen Denken in Utopien oder der Wirkung des Wissens um nicht ad hoc erfahrbare physikalische Gesetze auf unsere Gedankenwelt. Die gezeigten Werke erschließen Unergründliches im vermeintlich Vertrauten, reflektieren den Glauben an die Macht der menschlichen Einbildungskraft und die Einflussmöglichkeiten der Kunst und hinterfragen die Modelle, in denen wir wahrnehmen.

Thematisch entstehen auch Verknüpfungen zum Ausstellungsort, dem Spanischen Turm und dem sich um diesen herum befindenden Skulpturengarten. Den Ursprung des Spanischen Turms umgibt ein Mysterium. Vermutlich in seinem Fundament und Erdgeschoss als künstliche Ruine Ende des 18. Jahrhunderts angelegt, lässt Karl von Hessen den Turm 1954 fertigstellen und gibt ihm seinen heutigen Namen, »Château d’Espagne«, der als französische Redewendung metaphorisch für utopische, unrealistische Vorstellungen oder den deutschen Begriff »Luftschloss« steht. Seine Erbauung liegt in der Zeit des Aufkommens der künstlerischen Moderne. Im Jahr 1857 erscheint Charles Baudelaires Gedichtband „Fleurs des Mal“, der die Schönheit der dunklen, unbewussten und abgründigen Aspekte der menschlichen Psyche erforscht. Der Text bricht mit allen ästhetischen Normen der damaligen Zeit, wirkt zukunftsweisend und leitet eine Entwicklung umwälzender Veränderungen in Literatur und bildender Kunst ein. Unter Einfluss der sich entwickelnden Psychoanalyse wird die Erforschung von Träumen zum entscheidenden Paradigma der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sigmund Freuds „Traumdeutung“ erscheint 1899 und markiert den Beginn einer nicht endenden Bewusstseinskrise des modernen Menschen, mit der auch die Entdeckung des ästhetischen Potentials von Fantasien, Träumen, Reminiszenzen und Halluzinationen einhergeht. Prägend für die bildende Kunst ist auch der Roman „die andere Seite“ des Künstlers Alfred Kubin. Der 1909 erschienene Text, in dem Kubin eine apokalyptische Traumvision entwirft, setzte wichtige Impulse für Avantgardebewegungen wie Expressionismus und Surrealismus und wirkt bis in die Gegenwart. Vor diesem Hintergrund zeigt die Ausstellung unterschiedlichste Interpretationen der Verbindung von dem Ephemeren und dem Konstantem im Material der Bronze und erschließt Raum für neue Assoziationen und Sinnzusammenhänge.

 

Kuratiert von Gesa Zipp und Isabella Greenberg

mit Werken von:

Anna Bogouchevskaia
Karol Broniatowski
Luciano Castelli
Per Dybvig
Rainer Fetting
Fotis
Leiko Ikemura
Georg Kolbe
Alicja Kwade
Heinz Mack
Jonathan Meese
Louis Tuaillon
Arie van Selm
Thomas Zipp